Der Begriff Zero Waste ist heute in aller Munde. Aber was genau steckt eigentlich hinter der Zero-Waste Bewegung? Was bedeutet Zero Waste und wie lässt sich das Konzept langfristig in den Alltag integrieren? Diesen Fragen sind wir diese Woche auf den Grund gegangen und haben uns mit einer echten Expertin auf diesem Gebiet in Verbindung gesetzt. 2018 gründete Inga zusammen mit ihrer Freundin und heutigen Kollegin Hanna die Plattform Zero-Waste Deutschland. Zusammen haben sie eine Community geschaffen, die sich dem Thema Zero Waste widmet, mit dem Ziel Menschen einen möglichst unkomplizierten Zugang zu informativen Beiträgen, hilfreichen Tipps und interessanten Themen zur Zero-Waste Bewegung zu schaffen.
Zero Waste - Was bedeutet das eigentlich?
Nordgreen: Die von dir und Hanna ins Leben gerufene Community Zero-Waste Deutschland beschäftigt sich unter anderem mit der Aufklärung unserer Gesellschaft bezüglich einer nachhaltigen, müll-reduzierten Lebensweise. Könntest du uns zunächst erklären was Zero Waste bedeutet und auf die Hintergründe der Bewegung eingehen?
Inga: Der Begriff “Zero Waste” kommt aus dem Englischen und bedeutet zu Deutsch Null Müll. Das Konzept beruht auf den Denkansätzen der Amerikanerin Bea Johnson, der Begründerin der Zero-Waste Bewegung. Bei Zero Waste geht es jedoch nicht um die Utopie, die man sich vielleicht darunter vorstellen mag und versucht zu erreichen. Vielmehr geht es um den Weg, den jeder einzelne von uns verfolgt, um an das Ziel zu gelangen, so wenig überflüssigen Müll wie möglich zu produzieren. Dabei meinen wir mit Müll nicht nur Plastikmüll. Es geht um jede Art von Müll, auch den imaginären Müll, welchen wir als Konsument gar nicht sehen, aber durch unser Mobilitätsverhalten, Konsumverhalten und unsere Ernährung produzieren. Dieser ganzheitliche Ansatz verlangt eine nachhaltige Lebensweise, welche wir nur leben können, wenn wir zunächst bei uns selbst anfangen, sowohl mit kleinen als auch großen Schritten in Richtung des gemeinsamen Ziels.
Dies gilt sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Während es für Privatpersonen vor allem Veränderungen im Alltag sind, die einen Beitrag zur Zielerreichung leisten können, gilt es für Unternehmen grundsätzliche Strukturen zu hinterfragen und nach alternativen Lösungen für den Versand, die Produktion, etc. zu suchen. Dabei bietet jede Branche unterschiedliche Angriffspunkte, weshalb Materialien wie Plastik nicht von Grund auf verteufelt werden sollten. In Branchen wie der Medizin mag der Umstieg auf alternative Materialien zum Beispiel nicht unbedingt sinnvoll sein.
Die Bewegung basiert auf dem Grundgedanken, langfristig der Verschwendung von begrenzten Ressourcen entgegen zu wirken. Unser unglaublich hoher Verbrauch an Ressourcen und die vielen überflüssigen Müllmengen haben schädliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit und die Umwelt, wie zum Beispiel Müllstrudel im Ozean oder Gesundheitsgefährdungen durch Mikroplastik in Kosmetika und Lebensmitteln. Zero Waste ist somit ein riesiges, wichtiges Thema, das uns zum einen als Gemeinschaft betrifft, zum anderen von jedem individuell angegangen werden sollte, um weniger Müll zu verursachen und unsere Ressourcen zu schonen.
Zero Waste - Tipps für den Alltag
Nordgreen: Ich könnte mir vorstellen, dass bei vielen Menschen der Gedanke an Zero Waste Zweifel aufbringt, inwiefern solch eine Lebensweise in den Alltag integriert werden kann. Andere wiederum sehen die Zero-Waste-Bewegung als eine Art Diät, die man für mehrere Tage oder Wochen durchhält um ein Ergebnis zu erzielen. Worauf würdest du sagen kommt es bei der Umsetzung einer solchen nachhaltigen, müll-reduzierten Lebensweise an? Und wie sollte man als Neuling an die Sache herangehen?
Inga: Zunächst sollte man sich bewusst machen, dass Zero Waste keine 30-Tage-Challenge ist, auch wenn es so anfangen kann. Trotz vieler unkomplizierter Tipps für den Alltag ist es ein andauernder Prozess, der sich mit der Zeit aber positiv auf die Gesundheit und Umwelt auswirkt. Das Verbannen von Plastik im Haushalt von einem auf den anderen Tag trägt nur bedingt zu einer nachhaltigen Lebensweise bei, insbesondere weil die Entsorgung aller Plastikartikel im Haushalt nicht unbedingt ressourcenschonend ist. Stattdessen sollte man sich zunächst einen Überblick verschaffen: Was für Produkte habe ich Zuhause? Was für Reserven verstecken sich noch in meinen Schränken? Und was ist eigentlich alles in meinen Produkten enthalten?
Enthalten meine Produkte Mikroplastik, so sollte ich diese der Umwelt und Gesundheit zuliebe direkt entsorgen. Für alle anderen Produkte lautet die Devise, zunächst alle Reserven aufzubrauchen. Während die Reserven aufgebraucht werden, kann man sich bereits nach Alternativen zu den herkömmlichen Produkten wie Putzmittel, Shampoo, Duschgel & Co. umsehen. Putzmittel können beispielsweise einfach und extrem günstig selbst hergestellt werden (Mehr Infos). Außerdem gilt es kleine Gewohnheiten zu ändern. Damit meine ich zum Beispiel den eigenen Stoffbeutel zum Einkaufen mitzunehmen, auf Unverpackt- und Bioläden in der Nähe umzusteigen (wenn möglich), ein Ökostrom Angebot einzuholen und die Essgewohnheiten mit mehr pflanzlichen und weniger tierischen Produkten zu bereichern. Insbesondere die pflanzliche Ernährung hat einen sehr großen Einfluss, da eine tierische Ernährung im Allgemeinen sehr ressourcenineffizient ist. Will man auf Fleisch und tierische Produkte nicht komplett verzichten, so sollte man ausschließlich bio/bioland/Demeter zertifizierte Produkte konsumieren.
Zero Waste - Geld sparen oder Draufzahlen?
Nordgreen: Ich würde gerne noch auf ein Thema eingehen, welches viele vielleicht zunächst von einer Zero Waste Lebensweise abschreckt. Und zwar der Kostenpunkt. In eurem online Magazin habe ich gesehen, dass ihr zum Thema Kosten sparen mit Zero Waste einen Beitrag veröffentlicht habt. Gibt es denn die Möglichkeit hierbei nicht nur die Umwelt, sondern auch noch den Geldbeutel zu schonen?
Inga: Ja, auf jeden Fall. Ich persönlich haben auch mit einem relativ kleinen Geldbeutel gestartet. Wenn man sich nur auf die Preise einzelner Produkte konzentriert, ist es durchaus teurer. Man sollte sich aber bewusst machen woran das liegt. Die Lebensmittel in Unverpackt- und Bioläden werden oft in kleineren Auflagen produziert und in den allermeisten Fällen nicht staatlich subventioniert. Man zahlt somit lediglich den Preis, den die Produkte eigentlich kosten müssten. Zum anderen verabreicht man seinem Körper weniger Giftstoffe, unterstützt den Schutz der Arten und nachhaltigeren Anbau. Eine nachhaltige Lebensweise beinhaltet außerdem eine konsequente Anpassung des Konsumverhaltens. Statt auf preiswerte Produkte zurückzugreifen um Geld zu sparen, sollte man sich die grundlegende Frage stellen, ob man das Produkt überhaupt im Leben braucht. Das bewusste hinterfragen der Konsumentscheidungen spart viel Geld, welches wiederum in teurere Lebensmittel investiert werden kann. Es handelt sich also vielmehr um eine Kostenverschiebung und oft gibt man am Ende auch für Lebensmittel nicht mehr Geld aus, da man einfach anders einkauft. Unterm Strich kann sich eine Zero Waste Lebensweise also positiv auf den Geldbeutel auswirken. Ausgeschlossen hiervon sind selbstverständlich Menschen die bereits jetzt schon absolut am unteren Limit leben (das ist auch wieder sehr individuell ab wann das zutrifft). Hier müsste auch vom Staat mehr Unterstützung erfolgen. Für Studenten, Familien, etc. ist aber oft viel mehr möglich als man zu Beginn glaubt, man muss nur einfach anfangen die ersten Schritte zu gehen, und wenn es nur die feste Seife anstatt dem Duschgel ist.
Zero Waste - Eine Zukunft ohne Müll
Nordgreen: Zuletzt würde ich dich gerne nach deiner persönlichen Vorstellung unserer Zukunft fragen. Inwieweit siehst du, dass das Konzept Zero Waste in unserer Gesellschaft angenommen wird oder was würdest du dir diesbezüglich für die Zukunft wünschen?
Inga: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass die Menschen erkennen, dass sie alle was tun können und vor allem müssen, wenn man weiterhin eine Welt haben will, auf der man leben kann. Dies betrifft nicht nur unsere Kinder und Enkelkinder, sondern bereits unsere Generation. Jede*r darf aktiver werden und versuchen einzelne Produkte auszutauschen oder wegzulassen. Ganz nach dem Motto: “Mach es so gut du kannst, bis du es besser weißt. Wenn du es besser weißt, mach es besser” (Maya Angelou).
Du hast eine Zero-Waste Lebensweise bereits für dich entdeckt oder hast Fragen zum Thema Zero Waste? Wir sind gespannt, sowohl auf deine Tipps für den Alltag als auch deine Fragen zum Thema Zero Waste.